Potenzialinduzierte Degradation (PID) bei Photovoltaikmodulen
Potenzialinduzierte Degradation (PID) ist ein Phänomen, das bei Photovoltaik (PV)-Modulen auftritt und zu erheblichen Leistungseinbußen führen kann. PID entsteht durch eine hohe negative Spannungsdifferenz zwischen den Solarzellen und dem geerdeten Aluminiumrahmen der Module. Besonders anfällig sind Module in heißen und feuchten Klimazonen sowie solche mit minderwertigen Materialien.
Was ist PID?
PID tritt auf, wenn eine hohe negative Spannungsdifferenz zwischen den Solarzellen und dem geerdeten Aluminiumrahmen des Moduls entsteht. Sobald ein PID entsteht, kann das die Leistung eines PV-Moduls um bis zu 30 % reduzieren.
Warum entsteht eine potenzialinduzierte Degradation (PID)?
Untersuchungen zeigen, dass die Degradation oft schleichend auftritt und sich über Jahre hinweg verstärkt. PID entsteht dabei hauptsächlich durch eine hohe negative Spannungsdifferenz zwischen den Solarzellen und dem geerdeten Aluminiumrahmen des PV-Moduls. Diese Spannungsdifferenz kann zu Kriechströmen führen, welche durch das Einbettungsmaterial, meist Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA), fließen. Dadurch werden die elektrischen Eigenschaften der Zellen beeinträchtigt. Begünstigt wird eine potenzialinduzierte Degradation durch hohe Temperaturen und Feuchtigkeit.
Warum begünstigen hohe Temperaturen PID?
Hohe Temperaturen begünstigen PID vor allem durch die Erhöhung der Ionenbeweglichkeit innerhalb der Solarzellen und des Einbettungsmaterials. Bei hohen Temperaturen bewegen sich die Ionen schneller. Das führt zu einer verstärkten Migration von Ionen wie Natrium (Na+). Diese Ionen dringen dann in das Einbettungsmaterial ein und schaffen leitfähige Pfade. In diesen Pfaden entstehen die sogenannten Kriechströme, die die Leistung der Solarzellen beeinträchtigen können.
Warum beeinträchtigen Kriechströme die Leistung der Solarzellen?
Kriechströme, die durch potenzialinduzierte Degradation (PID) verursacht werden, sorgen für:
- Reduktion des Isolationswiderstands: Kriechströme führen zu einer Abnahme des Isolationswiderstands des PV-Moduls. Dadurch fließt vermehrt Strom durch das Einbettungsmaterial und nicht durch die Solarzellen. Dieser Verluststrom verringert die Stromerzeugung.
- Erhöhung der Rekombinationsverluste: Die Kriechströme verursachen außerdem eine Zunahme der Elektron-Loch-Paare-Rekombination innerhalb der Solarzellen. Rekombinieren sich Elektronen und Löcher vor der Stromerzeugung, geht potenzielle Energie verloren. Dies reduziert abermals die Menge der gewonnenen Solarenergie und verringert somit die Effizienz.
- Bildung von leitfähigen Pfaden: Durch die Migration von Natriumionen (Na+) entstehen leitfähige Pfade im Einbettungsmaterial. Diese Pfade lenken den Strom auf unerwünschte Wege. Das führt zu weiteren Leistungsverlusten und langfristig zur Schädigung der Solarzellenstruktur.
- Erwärmung und Hotspots: Kriechströme können auch zur Überhitzung der betroffenen Bereiche führen. Diese Hotspots erhöhen den lokalen Widerstand, wodurch weitere Degradationen und Schäden entstehen können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wechselwirkung zwischen Temperatur und Feuchtigkeit.
Warum begünstigt Feuchtigkeit potenzialinduzierte Degradation (PID)?
Feuchtigkeit spielt eine wesentliche Rolle bei der potenzialinduzierten Degradation (PID) von Photovoltaikmodulen und verstärkt diesen Effekt durch verschiedene Mechanismen:
- Feuchtigkeit kann in das Einbettungsmaterial, meist Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA), eindringen und dessen elektrische Leitfähigkeit erhöhen. Die erhöhte Leitfähigkeit erleichtert die Bildung von Kriechströmen.
- In feuchten Bedingungen werden Ionen wie Natrium (Na+) mobiler und können leichter durch das Einbettungsmaterial wandern. Diese Ionen schaffen leitfähige Pfade, die zu elektrischen Leckströmen führen.
- Feuchtigkeit kann elektrochemische Reaktionen an den Schnittstellen zwischen den Materialien des PV-Moduls fördern. Diese Reaktionen können die Korrosion der Materialien auslösen, insbesondere an den Verbindungsstellen und den Kanten der Zellen.
- Kondensiert die Feuchtigkeit dann auf der Oberfläche der Module, kann sich die Oberflächenleitfähigkeit erhöhen. Und das wiederum bildet möglicherweise neue Kriechströme entlang der Oberfläche. Diese Oberflächenströme können ebenfalls zu Leistungsverlusten führen und die Effizienz der Module beeinträchtigen.
Wie begünstigt das Material PID?
Die Qualität der verwendeten Materialien ist ebenfalls entscheidend. Vor allem minderwertige Materialien erhöhen die Anfälligkeit für PID. Grundsätzlich gilt: Hochwertige Einbettungsmaterialien wie Polyolefin-Elastomer (POE) sind weniger anfällig für potenzialinduzierten Degradation, da sie eine geringere Leitfähigkeit aufweisen und weniger Ionenmigration ermöglichen.
Selbst die Antireflexbeschichtung (AR-Beschichtung) und die Oberflächenbehandlungen der Module können die PID-Anfälligkeit beeinflussen. Wurden diese nicht ausreichend gegen Feuchtigkeit und Ionenmigration geschützt, kann sich die Leitfähigkeit erhöhen und somit PID begünstigt werden.
Auch der Aluminiumrahmen der Module treibt durch seine Erdung die Ionenmigration an. Schuld daran ist die entstehende Spannungsdifferenz zwischen den Solarzellen und dem Rahmen durch die Erdung.
Gleiches gilt für Wechselrichter ohne galvanische Isolation. Derart transformatorlose Wechselrichter erhöhen die PID-Anfälligkeit bei Photovoltaikmodulen. Denn hier fehlt die elektrische Trennung zwischen dem DC-Stromkreis der PV-Module und dem AC-Stromnetz im Haus, was die Spannungsdifferenz zwischen den Solarzellen und dem geerdeten Modulrahmen verstärkt.
Wie äußert sich die potenzialinduzierte Degradation (PID)
Kommt es zu einer potenzialinduzierten Degradation (PID), äußert sich diese in mehreren charakteristischen Veränderungen der Leistungsfähigkeit der Photovoltaikmodule:
Verringerte Leerlaufspannung:
Ein PID-betroffenes Modul zeigt eine deutlich verringerte Leerlaufspannung (Voc). Dies ist eines der ersten Anzeichen für PID und kann durch Messung der Spannung ohne Last einfach festgestellt werden.
In der Regel variiert die Leerlaufspannung eines Photovoltaikmoduls je nach Typ und Design. Typische Werte für kristalline Silizium-Module liegen im Bereich von 30 bis 40 Volt pro Modul unter Standard-Testbedingungen (STC). Gemessen wird hier bei einer Einstrahlung von 1000 W/m² und einer Zellentemperatur von 25 °C.
Ist ein Modul von potenzialinduzierter Degradation (PID) betroffen, kann sich die Leerlaufspannung signifikant reduzieren. Meist liegen die Werte um 10 % bis 30 % unter den Normalwerten.
Verschlechterte I-V-Kurve:
Die I-V-Kurve (Strom-Spannungs-Kennlinie) eines betroffenen Moduls weist ebenfalls eine deutliche Verschlechterung auf. Typischerweise zeigt die Kurve eine reduzierte maximale Leistung (Pmax), eine verringerte Kurzschlussstromstärke (Isc):
- Beispielsweise kann ein Modul, dass normalerweise eine maximale Leistung von 300 Watt hat, durch PID auf etwa 210 bis 270 Watt reduziert werden.
- Die Kurzschlussstromstärke, die unter normalen Bedingungen bei etwa 8 bis 10 Ampere liegt, kann durch PID um 5 % bis 20 % reduziert werden. Ein Modul mit einer normalen Isc von 9 Ampere könnte durch PID eine reduzierte Isc von etwa 7,2 bis 8,55 Ampere haben.
Diese schlechten Werte resultieren aus der Bildung von Kriechströmen.
Leistungsabfall:
PID führt zu einem signifikanten Leistungsabfall des betroffenen Moduls. In einigen Fällen kann die Leistungsreduzierung bis zu 30 % betragen. Dieser Abfall beeinträchtigt die Gesamteffizienz und Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage erheblich.
Visuelle Inspektion:
Obwohl PID häufig keine sofort sichtbaren Anzeichen auf der Moduloberfläche hinterlässt, können bei genauer Untersuchung subtile Veränderungen festgestellt werden. Dies können z. B. Verfärbungen oder Hotspots sein, die auf eine ungleichmäßige Erwärmung der Zellen hindeuten.
Mit welchen Tests kannst Du potenzialinduzierte Degradation (PID) diagnostizieren?
Sobald die Vermutung auf eine potenzialinduzierte Degradation (PID) besteht, kannst Du sie mit folgenden Tests diagnostizieren:
- Elektrolumineszenztests (EL-Tests): Bei diesen Tests werden die Module unter Spannung gesetzt und mit einer speziellen Kamera im Dunkeln abfotografiert. Bereiche, ohne oder mit geringer Leuchtintensität, sind möglicherweise von PID betroffen. Diese Methode ist genau, aber auch kostenintensiv und aufwendig.
- I-V-Kurvenanalyse (Strom-Spannungs-Kennlinie): Die I-V-Kurvenanalyse misst die Strom-Spannungs-Kennlinie eines Moduls, um Abweichungen von den Normalwerten festzustellen.
- Infrarot-Thermografie: Infrarot-Thermografie kann verwendet werden, um Hotspots zu identifizieren, die durch die erhöhte Leitfähigkeit und den damit verbundenen Wärmeverlust in betroffenen Bereichen entstehen. Diese Methode ist eine schnelle Möglichkeit, PID-betroffene Module insbesondere in großen PV-Anlagen zu identifizieren.
- Leerlaufspannungstests (Voc): Das Messen der Leerlaufspannung einzelner Module oder Modulstränge kann frühe Hinweise auf PID liefern. Ein signifikanter Abfall der Leerlaufspannung ist ein Indikator für PID. Diese Methode ist einfach und kostengünstig, liefert jedoch keine detaillierten Informationen über das Ausmaß der Degradation.
Kannst Du eine potenzialinduzierte Degradation (PID) wieder umkehren?
Doch zum Glück bedeutet eine PID nicht, dass die PV-Anlage vollständig erneuert werden muss. Mittlerweile gibt es einige Methoden, mit denen sich die PID wieder umkehren lässt.
Anti-PID-Boxen:
Diese Geräte werden zwischen den PV-Modulen und dem Wechselrichter installiert. Sie kehren die Spannungsdifferenz um, indem sie eine umgekehrte Spannung anlegen, die die Ionenmigration in die entgegengesetzte Richtung lenkt. Durch diese Maßnahme können die leitfähigen Pfade, die durch PID entstanden sind, aufgelöst und die ursprüngliche Leistungsfähigkeit der Module wiederhergestellt werden.
Erdung des positiven Pols:
Eine einfache und effektive Methode zur Verhinderung von PID ist die Erdung des positiven Pols des PV-Systems. Dies reduziert die Spannungsdifferenz zwischen den Zellen und dem Rahmen und verhindert so die Migration von Ionen. Diese Maßnahme kann auch helfen, bestehende PID-Effekte zu reduzieren.
Verwendung von Wechselrichtern mit galvanischer Isolation:
Wechselrichter mit galvanischer Isolation verhindern PID, indem sie die elektrische Trennung zwischen dem DC-Stromkreis der PV-Module und dem AC-Stromnetz sicherstellen. Durch die Vermeidung hoher Spannungsdifferenzen wird die Ionenmigration gestoppt, was die Degradation aufhält und möglicherweise wieder umkehrt.
Erhöhung der Temperatur:
Durch das temporäre Erhöhen der Betriebstemperatur der Module kann PID rückgängig gemacht werden. Diese Methode nutzt die Tatsache, dass höhere Temperaturen die Bewegung der Ionen beschleunigen und somit die Auflösung der leitfähigen Pfade gefördert werden. Diese Methode sollte jedoch mit Bedacht angewandt werden. Denn dadurch können auch Schäden an den Modulen selbst entstehen.
Sind auch Balkonkraftwerke von potenzialinduzierter Degradation (PID) betroffen?
Während von PID hauptsächlich große PV-Anlagen betroffen sind, gilt das weniger für Balkonkraftwerke. Der Hauptgrund dafür sind die niedrigeren Betriebsspannungen dieser Systeme. Denn eine potenzialinduzierte Degradation (PID) tritt meist bei höheren Systemspannungen auf. Typisch sind hier Spannungen von 600 V bis 1000 V oder mehr. Balkonkraftwerke arbeiten jedoch oft mit Spannungen im Bereich von 12 V bis 48 V oder maximal 230 V, wenn sie direkt an das Haushaltsnetz angeschlossen sind. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung von Kriechströmen deutlich reduziert. Außerdem nutzen Balkonkraftwerke normalerweise Mikro-Wechselrichter oder Wechselrichter mit galvanischer Isolation. Das mindert das Risiko von PID weiter. Um den Leistungsabfall bei diesen ohnehin eher kleinen Anlagen aber vollständig auszuschließen, solltest Du auf hochwertige Materialien und eine korrekte Installation (vor allem trocken) achten.